Gottesdienst zeitgleich am 29.03.2020

Nachricht 29. März 2020

Brief zum Sonntag Judika am 29. März 2020

Guten Morgen und einen gesegneten Sonntag wünsche ich Ihnen! Mein Name ist Oda-Gebbine Holze-Stäblein. Ich bin Pastorin und Landessuperintendentin im Ruhestand und wohne seit 2007 mit meinem Mann sehr gern im Stadtteil Burg. Seitdem übernehme ich auch immer wieder Gottesdienste in unserer Zachäuskirche.

Gern hätte ich heute Morgen in unserer Kirche den Gottesdienst mit Ihnen gefeiert. Wegen der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus ist das jetzt nicht möglich. Aber wir suchen Mittel und Wege, Ihnen trotzdem nah zu sein. Ich lade Sie ein, heute, am 5. Sonntag der Passionszeit, mit mir zusammen

zeitgleich Gottesdienst zu feiern!

 

 

Die Gebetsglocke der Zachäuskirche hat den Sonntag eingeläutet.

Vielleicht haben Sie eine Kerze zur Hand, die Sie jetzt anzünden können?

Ich habe meinen Talar angezogen und eine Stola angelegt. Sie ist jetzt lila: Das ist die Farbe der Passions- oder Fastenzeit.

Ich mache das Kreuzeszeichen und spreche: Wir feiern diesen Gottesdienst im + Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Jesus hat gesagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Jesus geht nicht auf Distanz zu uns; er braucht keinen Abstand zu halten. Er ist uns nah, wo auch immer wir jetzt sind.

 

Ein altes Morgenlied begleitet uns. Es gibt Kraft für diesen Tag.

EG 440,1        Alle Morgen ist ganz frisch und neu

                       des Herren Gnad und große Treu.

                       Sie hat kein End den langen Tag.

                       Drauf jeder sich verlassen mag.

Gebet

Gott. Ich bin hier. Und du bist hier. Ich bete zu dir. Und weiß: ich bin verbunden. Mit dir und mit anderen, die zu dir beten. Genau jetzt. Genau so. Ich bin hier. Und du bist hier. Das genügt.

Ich bringe dir alles, was ist: Die Angst, krank zu werden. Die Sorge um mich selbst und um andere. Die Leere. Die Langeweile. Aber auch die Enge, den Krach. Das ungewohnte Aufeinander-Hocken. Den Wunsch zu fliehen: raus an die frische Luft. –

Bruder Jesus, höre mein, höre unser Gebet. Sei nah. Amen

 

Ein Wort für heute aus dem Hebräerbrief, Kapitel 13:

Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun zu ihm hingehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Vor zwei Tagen war ich in unserer Zachäuskirche. Ganz allein. Ich habe einen Schlüssel, wie andere Ehrenamtliche auch.

Ich sitze da, wo ich auch sonst gerne sitze, am Mittelgang. Es tut gut, hier zu sitzen. Alles ist wie immer. Nein, doch nicht. 
Es riecht anders. Der Duft der Kerzen fehlt. Am Sonntag kommen immer mal wieder vor Beginn des Gottesdienstes Gemeindeglieder zum Kerzenstand neben dem Altar und zünden ein Teelicht an. Vielleicht für sich selbst, weil sie in Not sind. Meistens aber wohl für andere. Für Kranke. Für Sterbende. Für Verstorbene. Kerzen sind wie Gebete. Ihr Duft erfüllt den Raum. Er fehlt jetzt.

Es ist still. Still wie nie. Dann und wann fährt draußen ein Auto vorbei, zwitschert ein Vogel. Die Sonne zeichnet den Schatten der noch kahlen Bäume draußen auf die Fensterscheiben. Ihre Zweige bewegen sich im leichten Wind.

Es ist gut hier zu sitzen. Die beiden Glasfenster in ihren Rot- und Blautönen nehmen mich mit in uralte Geschichten. Von einem Gott, der von der aufgehenden Sonne bis zum Dunkel der Nacht bei den Seinen war. Nein, nicht war. Ist. Auch jetzt.

Drinnen und Draußen: In diesen Tagen ist so vieles anders. ‚Drinnen‘ war doch eigentlich immer das Wort für Zuhause-Sein. ‚Schutz und Schirm vor allem Argen‘: so lautet der alte Segen zur Konfirmation. Jetzt wird das Drinnen eng. Man darf es fast gar nicht mehr verlassen. Es schließt ein - und aus. Da wird der heimliche Gang in eine leere Kirche schon fast zum Ausbruchsversuch. Hier ist das ganz andere. Der ganz Andere: der Gott, bei dem beides ist, Freiheit und Zuflucht.

Passionszeit. Fünfter Sonntag, Judika: der Sonntag, der mit dem Richten zu tun hat. Sie haben den gefangenen und geschlagenen Jesus damals vor die Tore der Stadt Jerusalem geschleppt. Golgatha, die HinRichtungsstätte, lag draußen. Lasst uns zu ihm hingehen, sagt der Schreiber des Hebräerbriefes. Ihm nah sein. Mit ihm ertragen, dass man ihn ausgestoßen hat. Dass er in Schmach und Schande starb, soll und wird nicht das letzte Wort, das letzte Urteil über sein Leben sein.

Das gilt für Jesus. Und für uns. Was wir hier erleben und erleiden; was wir uns selbst, anderen und Gott schuldig bleiben, ist nicht das, was bleibt. Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir: Diese Stadt und alle Städte und Stätten des Menschenlebens: in ihnen leben Schönheit und Hoffnung und Liebe, aber auch Gewalt und Ausgrenzung und Einsamkeit. Sie sind nicht das, was auf uns wartet.

Die zukünftige Stadt wird anders sein. Am Ende aller Tage, ja. Aber auch schon hier und vielleicht nicht heute, aber morgen und übermorgen. Wir erleben jetzt, was sich alles ändern kann. In atemberaubender Geschwindigkeit. So schnell, dass uns die Luft ausgeht, wie den schwer an Corona Erkrankten. - Beten wir für sie, die nach Luft ringen!!! - Aber es kann sich auch ganz viel zum Besseren und Guten ändern. Er, Jesus, trug das Kreuz vor die Tore der Stadt. Ein Marterinstrument. Aber denen, die ihm folgten, ist das Kreuz zu einem Baum des Lebens geworden. Kreuze aus dem Mittelalter haben mitunter zwei Seiten und zwei Botschaften: eine Vorderseite, die dem Tod gehört, – und eine Rückseite voller Knospen und Blüten, die auf das Leben hinweist.

Diese Kirche, in der ich sitze: auf dem Altar steht ein Kreuz. Wie in allen Kirchen. Aber Jesus Christus ist nicht in diesem Raum gefangen und eingesperrt. Hier werden Befreiungs- und Lebensgeschichten erzählt. Hier wird der Horizont weit. Hier beginnt der Freiraum, den wir bei Gott haben.

Als ich in der Kirche saß, fiel mir ein Gedicht ein, das ich lange vergessen hatte. Es blubberte an die Oberfläche. Es trägt die Überschrift „Trost“ und stammt von Manfred Hausmann. Hier einige Verse daraus:

Ich möchte eine alte Kirche sein
von Stille, Dämmerung und Kerzenschein.

Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.

Du senkst den Kopf, die große Tür fällt zu.
Nun sind wir ganz alleine, ich und du.

Ich kühle dein Gesicht mit leisem Hauch,
ich hülle dich in meinen Frieden auch.

Ich fange mit der Orgel an zu singen.
Nicht weinen, nicht die Hände heimlich ringen!

Hier hinten, wo die beiden Kerzen sind,
komm, setzt dich hin, du liebes Menschenkind.

Ob Glück, ob Unglück: alles trägt sich schwer.
Du bist geborgen hier, was willst du mehr?

Vom Orgelfuß die Engel sehn dir zu
und hüllen dich mit Flötenspiel zur Ruh.

Ich möchte eine alte Kirche sein
von Stille, Dämmerung und Kerzenschein.

Wenn du dann diese trüben Stunden hast,
gehst du herein zu mir mit deiner Last.

 

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus! Amen

 

Aus einem niederländischen Passionslied:

EG 97, 1-3

 

Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,

ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

Wollen wir Gott bitten, dass auf unsrer Fahrt

Friede unsre Herzen und die Welt bewahrt.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

Denn die Erde klagt uns an bei Tag und Nacht.

Doch der Himmel sagt uns: Alles ist vollbracht.

Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehen.

Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn.

 

Wir beten miteinander und füreinander.

 

Gott.
Wir sind verbunden. Als Menschen mit Menschen.
Als Glaubende miteinander. Als Glaubende und Menschen mit Dir.
Wir bringen Dir unsere Gedanken, unser Danken und unser Sorgen.

Stille

Wir denken an alle, die wir lieben.
Was tun sie gerade.

Stille

Wir denken an alle, die in diesen Zeiten noch einsamer sind.

Stille

Wir denken an alle Kranken.
an die überall auf der Welt, die nach Luft ringen.
An die, die nicht mehr versorgt werden können,
weil es an allem fehlt.

An die in Kliniken und Altersheimen,
die nicht besucht werden können.
An die, die alt sind. Wie wir.

Stille

Wir denken an alle, die helfen, heilen und pflegen.
Sie setzen sich für andere ein.
Sie opfern Zeit, Gesundheit und oft das eigene Leben.

Stille

Wir denken an die, die uns mit Lebensmitteln versorgen.
Die Lastwagenfahrer. 
Die Arbeitenden in den Supermärkten und Geschäften.

Wir denken an die, die Verantwortung tragen
und Entscheidungen treffen.

Wir denken an die, die nach den Nachbarn
schauen und helfen. Die sich um Kinder kümmern.

Stille

Gott, danke für alles. Bleib bei uns.

Mit Jesu Worten rufen wir zu dir:

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen

 

Segen

 

Ich breite meine offenen Hände aus und spreche dir zu:

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir 
und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich 
und gebe dir + Frieden.

Amen

 

Ich gebe Ihnen noch eine Liedzeile mit auf den Weg:

Freunde, dass der Mandelzweig

sich in Blüten wiegt,

bleibe uns ein Fingerzeig,

dass das Leben siegt.

 

Ich lösche die Kerze und sage:

Bleib gesund. Bleib behütet!

Im Namen Jesu. Amen

 

 

Hannover-Burg, 26. März 2020

Oda-Gebbine Holze-Stäblein