Andacht zur Todesstunde Jesu

Nachricht 10. April 2020

Andacht zur Todesstunde Jesu

 

10. April 2020 – Karfreitag – um 15 Uhr

Zachäuskirche Hannover-Burg

 

 

 

 

                               

Also hat Gott die Welt geliebt, 

dass er seinen eingeborenen Sohn gab, 

auf dass alle, die an ihn glauben, 

nicht verloren werden, 

sondern das ewige Leben haben. 

 

Johannes 3, 16

 

Heute schweigen die Glocken. Eine einzelne Kerze wird entzündet. Es ist Karfreitag. Der dunkelste Tag des Jahres. Der Tag, an dem Gott stirbt. Wir sind da.

Nicht versammelt in einem Raum. Zerstreut an vielen Orten. Wie Schafe, die keinen Hirten haben. An unterschiedlichen Orten. Zur gleichen Zeit. Im Glauben. Im Kleinglauben. Im Zweifel. In unserer Angst. Mit einer Handvoll Hoffnung für uns und die anderen. 

 

Wir begehen diesen Gottesdienst im Namen des + Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen

 

GEBET

Herr, Jesus, wer bist du?
Ich sehe dich aus der Ferne,
über den unendlichen Abstand der Zeit. 
Und doch bist du nah. 
Ich sehe dich am Kreuz.
Was hat das mit mir zu tun?
Dein Leib ist zerschlagen.
Dein Gesicht ist entstellt. 
Niemand wäscht dir das Blut ab.
Was hat das mit mir zu tun?
Ich fürchte mich vor der Antwort.
Erbarme dich.
Amen

 

 

EVANGELIUM DES TAGES: Johannes 19, 16-30

 Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde.
 17 und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte,
die da heißt Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha.

Schweigen

 18 Dort kreuzigten sie ihn 
und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, 
Jesus aber in der Mitte.

Schweigen

 19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift 
und setzte sie auf das Kreuz; 
und es war geschrieben: 
Jesus von Nazareth, der König der Juden.

 20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, 
denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, 
war nahe bei der Stadt. 
Und es war geschrieben in hebräischer, 
lateinischer und griechischer Sprache.

 21 Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus:
 Schreib nicht: Der König der Juden, 
sondern, dass er gesagt hat: 
Ich bin der König der Juden.

 22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, 
das habe ich geschrieben.

Schweigen

 23 Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten,
nahmen sie seine Kleider 
und machten vier Teile, 
für jeden Soldaten einen Teil, 
dazu auch das Gewand. 

Das war aber ungenäht, 
von oben an gewebt in einem Stück.
 24 Da sprachen sie untereinander: 
Lasst uns das nicht zerteilen, 
sondern darum losen, 
wem es gehören soll. 

So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt: 
»Sie haben meine Kleider unter sich geteilt 
und haben über mein Gewand das Los geworfen.«
 Das taten die Soldaten.

Schweigen

 25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu 
seine Mutter und seiner Mutter Schwester, 
Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. 

26 Als nun Jesus seine Mutter sah 
und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, 
spricht er zu seiner Mutter:
 Frau, siehe, das ist dein Sohn!

 27 Danach spricht er zu dem Jünger: 
Siehe, das ist deine Mutter! 
Und von der Stunde an 
nahm sie der Jünger zu sich.

Schweigen

 28 Danach, als Jesus wußte, 
dass schon alles vollbracht war, 
spricht er, 
damit die Schrift erfüllt würde: 
Mich dürstet.
 29 Da stand ein Gefäß voll Essig. 
Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig 
und steckten ihn auf ein Ysoprohr 
und hielten es ihm an den Mund.

 30 Als nun Jesus den Essig genommen hatte, 
sprach er: 
Es ist vollbracht! 

 

Schweigen

 

und neigte das Haupt und verschied.

 

 

+++

 

Die Kerze wird ausgeblasen.

Ich warte, bis kein Rauch mehr zu sehen ist.

 

 

Das folgende Lied kann gesungen oder vorgelesen werden:

 

O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
o Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron.
O Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr und Zier, 
jetzt aber hoch schimpfieret: Gegrüßet seist du mir.

Erkenne ich, mein Hüter, mein Hirte, nimm mich an.
Von dir, Quell aller Güter, ist mir viel Guts getan; 
dein Mund hat mich gelabet mit Milch und süßer Kost; 
dein Geist hat mich begabet mit mancher Himmelslust.

Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; 
von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht.
Wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, 
alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.

Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir.
Wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; 
wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, 
so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.

 

+++

 

Karfreitagnachmittag um 15 Uhr in der Zachäuskirche. Um diese Zeit bin ich noch nie in dieser Kirche gewesen. Kein Wunder: die Gottesdienste finden vormittags statt. Das Licht ist anders als sonst. Und die Stille. Und der Altar: Ein leerer, steinerner Tisch. Keine Blumen. Keine Kerzen. Keine Bibel. Keine Behänge am Altar, am Lesepult, an der Kanzel. Ein nackter, kahler Kirchenraum. Nackt. Entkleidet. Wie der, den sie damals ans Kreuz gehängt haben. Die Maler aller Zeiten haben ihm ein Lendentuch um die Hüften gemalt. Ein nackter Gottessohn: das war gegen die Pietät.

In Wirklichkeit war es anders. Zu allen Zeiten. Es gehörte zur Entwürdigung eines Verurteilten, dass man ihn entblößte, ihn den schamlosen Blicken der Gaffer preisgab. - Ich sehe nackte jüdische Frauen vor mir, kurz bevor sie erschossen und in ein Massen-grab gekippt wurden: wie sie versuchten, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken. -

Es ist richtig, dass dieser Kirchenraum heute dem entspricht, worum es geht. 
Ein Mensch wurde der äußersten Schande und dem öffentlichen Spott preisgegeben. 
Die Arme auseinandergerissen und ans Holz genagelt. Der nackte Körper den Blicken der Menge ausgesetzt, bevor er seinen Geist aufgibt. 

„Warum habt ihr einen gekreuzigten Gott?“ werden wir Christen von denen gefragt, die in einem anderen Glauben aufgewachsen sind. Sie verstehen es nicht. Wir verstehen es ja selber nicht. Warum haben wir einen leidenden und sterbenden Heiland am Kreuz in jeder unserer zigtausend Kirchen hängen? Die Antwort ist sehr schlicht: Weil es so war. Weil Jesus genau so ums Leben gekommen ist. Auf dieselbe Art wie zahllose Menschen vor ihm, neben ihm, nach ihm. Es zeigt, wer wir Menschen sind in unseren schrecklichsten Möglichkeiten. Sein Tod am Karfreitag um 15 Uhr hatte nichts Exklusives. Er ist ein Allerweltstod
Karfreitag um 15 Uhr: 
die Stunde der Wahrheit. Über den Menschen. Über Gott. Die nackte Wahrheit.

Aber die andere Wahrheit darf auch nicht verschwiegen werden: das, was nach diesem Allerweltstodgekommen ist: Eine Auferstehung, die Aller Welt zugute kommen und diese Welt verändern wird. Sie hat sie schon verändert, viel stärker, als es uns meistens bewusst ist, weil wir so oft in das Scheitern und Schwarzmalen verliebt sind. Jesus wurde zum Schweigen gebracht, aber Gott hat ihm eine Stimme gegeben, die über alle Stimmen der Welt und über die Jahrhunderte hinweg zu hören ist. Sie will mich aufwecken, jeden Tag neu, und mich randvoll mit neuer Lebenskraft und Hoffnung füllen.  Sie wird mich am Ende meiner Zeit auferwecken, in die neue Schöpfung Gottes hinein. 

 

Angelus Silesius hat im 17. Jahrhundert geschrieben:

Blüh auf, gefrorner Christ,

der Mai ist vor der Tür:

Du bleibest ewig tot,

blühst du nicht jetzt und hier.

Amen.

 

Lied EG 98:

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt 
– Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. 
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn
– hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

 

 

FÜRBITTEN UND VATER UNSER

Herr Jesus, hier sind wir.
Mit Essig und mit Stille im Mund.

Wir denken an alle, die wir lieben.
Wir sorgen uns um sie.

 

Stille

 

Wir denken an die Kranken und Sterbenden. Die in unserer Stadt.
Die in Europa. In Krankenhäusern. In Lagern.

 

Stille

 

Wir denken an die Menschen, die bis zum Umfallen für andere da sind.  Krankenschwestern. Ärztinnen und Ärzte. Pflegekräfte.
 Politiker. Menschen im Rundfunk und Fernsehen, 
die uns auf dem Laufenden halten. 
Die, die Angst um ihre Existenz haben. Sei du bei ihnen.

 

Stille

 

Wir denken an die, die sich um Obdachlose kümmern.
An die in der Telefonseelsorge, die zuhören bis zur Erschöpfung.
An die Seelsorgerinnen und Seelsorger, die jetzt für ihre Gemeinden da sind.

 

Stille

 

Du hast dich selbst am Kreuz verlassen gefühlt. 
Du weißt, was Todesangst ist. 

Wir bitten dich: Erhöre uns. Bleib bei uns. 

 

Mit deinen eigenen Worten rufen wir zu Gott:

Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen

 

 

SEGEN

 

Ich breite meine Hände aus und spreche dir zu:

 

Der Herr segne dich und behüte dich. 

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. 

Amen

 

 

 

Landessuperintendentin i.R. 

Oda-Gebbine Holze-Stäblein

Te.: 0511-7636530

Mail: oda-gebbine.holze-staeblein@t-online.de

 

Homepage der Gemeinde:

www.zachaeusgemeinde-hannover.de